Somatoforme Störungen
Symptome | Vorkommen | Klassifikation | Verursachung | Diagnostik | Therapie
“Krank, aber ohne (ausreichenden) Befund“ könnte über der Gruppe
der psychosomatischen / somatoformen Störungen stehen. Mit einer
unserer Arbeitsfassungen prosaischer ausgedrückt:
Die Seele kann
sich vielfältig über den Körper äußern.
Symptome
Patienten mit den beschriebenen Störungsmustern klagen meist über mehrere Körperbeschwerden mit der Überzeugung, auch tatsächlich körperlich erkrankt zu sein. Sie leiden auch unter "psychischen Randsymptomen", wie innerer Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfbarkeit, depressiver Verstimmung, Angst, Schlafstörungen, Abhängigkeit oder Missbrauch von Medikamenten. Dies mit langer Krankengeschichte und häufigem Arztwechsel. Es finden sich multiple Beschwerden in unterschiedlichen Organsystemen sowie häufige Symptom- bzw. Syndromwandel. Die Betroffenen suchen die Ursachen und Verursachungen für die eigene soziale Konstellation und die Erkrankung zunächst ausschließlich in äußeren Bedingungen.
Vorkommen
Die Befindensstörungen ohne (ausreichenden) körperlichen Befund können in allen Organbereichen auftreten, als z. B. Herzdruck und Herzrhythmusstörungen, Magen- und Darmbeschwerden, Unterleibsleiden, Hauterkrankungen, insbesondere Allergien, Tinnitus, Schwindel, Hörsturz, chronische Müdigkeit, Schmerzen aller Art, insbesondere Kopfschmerzen, "rheumatische“ Gliederschmerzen, Rückenschmerzen ….
Diese Patienten werden von den Behandelnden oft als“ schwierig“ wahrgenommenen und finden sich in allen medizinischen Fachrichtungen.
Klassifikation
1980 wurde im Diagnostisch Statistischen Manual III erstmals als Oberbegriff für einen Großteil der so genannten psychosomatischen Störungen der Begriff 'somatoform' eingeführt. Gemeint sind hier 'körpergestaltige Störungen', die wie körperlich verursachte Störungen aussehen und die Erscheinung somatischer Krankheiten haben, es aber existenziell nicht sind.
Verursachung
Die Ursachen können vielfältig sein. Gerade bei diesen Störungen liegt ganz überwiegend eine multifaktorielle Entstehung vor.
Wie beim chronischen Schmerz geht man bei somatoformen Störungen von einem spezifischen hirnorganischen Disstress-System aus.
Wenn jemand unter familiärem und/oder arbeitsmäßigem Dauerdruck steht und noch den Verlust des Arbeitsplatzes befürchtet, kann eine körperliche Schwachstelle reagieren. Eine Kette reißt bekanntlich am schwächsten Glied. Dies oft mit den häufig den Betroffenen bekannten Reaktionsmustern wie "Ich fresse immer alles in mich hinein“, oder "Da hatte ich mir wohl wieder zu viel aufgeladen", oder "Das hat mir wieder das Herz bedrückt".
Mit einer unserer Arbeitsfassungen prosaischer ausgedrückt: Die Seele kann sich vielfältig über den Körper äußern.
Mit dem Wort eines griechischen Philosophen gesprochen: "Der Schmerz, der nicht zu Tränen führt, bringt die Organe zum Weinen“. Aber auch bei vergossenen Tränen können die Organe mitweinen. Gleichsam kann man auch verhärtet wie in einem Körperpanzer gefangen sein.
Das Wissen um diese Erkrankungen ist jahrtausende-alt. Dazu eine
kleine Geschichte, die zwar wie eine Legende klingt, aber historisch belegt ist:
Ein persischer Prinz lag "auf den Tod
darnieder“. Alle Bemühungen der königlichen Leibärzte waren
erfolglos geblieben, bis ganz zuletzt der herbeigerufene, sehr
berühmte Arzt … eine seltsame Entdeckung machte: Der Puls des
jungen Mannes beschleunigte sich in sehr beängstigender Weise,
sobald nur die Stimme der zweiten Frau des Vaters zu hören war. Der
Arzt eröffnete dem Königsvater diesen Umstand und der entschied,
dass er sich lieber von der blutjungen Frau als dem geliebten Sohn
trennen wollte und – schenkte sie ihm.
Das waren die Genese einer psychosomatischen Erkrankung, ihre Diagnose und Therapie vor rund 2000 Jahren.
Bei den mehreren tausend Patienten, die ich stationär oder ambulant mit somatoformen Krankheiten erlebt habe, waren die Diagnostik und Therapie meist nicht so unkompliziert.
Diagnostik
Die Diagnostik sollte möglichst parallel organmedizinisch und
psychosozial durchgeführt werden.
Unter organmedizinischem
Gesichtspunkt sind alle beteiligten körperlichen Verursachungen, wie
Fehlbildungen, Infekte, Verletzungen zu verifizieren und
entsprechend ihrer Wertigkeit zu berücksichtigen. Die
einzusetzenden Methoden richten sich vorrangig nach dem Ort der
Beschwerden und deren Qualität.
Unter psychosomatischem Aspekt ist möglichst auch eine positive Diagnose zu erstellen mit dem wahrscheinlichen Nachweis eines zeitlichen und dynamischen Zusammenhangs. Dies zum Beispiel mit Fragen der Art: "Wann haben die Beschwerden begonnen? Was war zu jener Zeit? Was hat Sie damals besonders belastet? ..."
Therapie
Die Behandlung psychosomatisch/somatoformer Störungen fordert Patienten und Therapeuten sehr. Der erste und wesentliche Schritt besteht in der Erarbeitung einer so genannten “Psychogenese“. Der Betroffene muss lernen, Spannung und Stress, Ängste und Emotionen wahrzunehmen und die Wirkung auf seine Körperfunktionen zu erkennen. Therapeut und Patient müssen gemeinsam ein psychosomatisches Störungsmodell erarbeiten, das der Betroffene nachvollziehen und akzeptieren kann.
Dabei ist der Patient dort abzuholen, wo er mental steht, in der Regel über den somatischen Zugang, über körperliche Therapien. Anschließend folgt die integrative Therapie und hier speziell die psychosomatische Komplextherapie mit jeweils spezifischer Gewichtung der einzelnen Therapiemethoden zum Einsatz.